7. Fliegende Untertassen


JR: Glaubst du an fliegende Untertassen?

DD: Das mußt du schon genauer fragen – also, glaube ich, daß es außerhalb der Erde intelligentes Leben gibt? Ich würde sagen, das ist etwa so wahrscheinlich, wie daß es in den Chefetagen weltweit agierender Medienkonzerne intelligentes Leben gibt – für beides hat man noch keine Beweise gesehen, aber es wäre doch ein komisches Universum, wenn dem nicht so wäre. Glaube ich, daß intelligente Außerirdische hier sind, auf der Erde, oder hier waren? Kann schon sein, ist aber weniger wahrscheinlich als daß es sie gibt. Glaube ich, daß es so gewesen ist, wie Herr Von Däniken es erzählt oder „Akte X“ es zeigt? Nein, wirklich nicht.

JR: Warum kriegt die Roswell-Sache, der angebliche Absturz eines oder mehrere UFOs im Jahr 1947 bei Roswell, New Mexico, so breiten Raum im „Dirac“-Roman?

DD: Weil das ein gutes Beispiel dafür ist, daß die sozialen Versprechen der bürgerlichen Aufklärung nie eingelöst wurden – ein Problem, das mir, wie du weißt, sehr am Herzen liegt. Die Aufklärer hatten sich das doch so gedacht: Was die Wissenschaft rausfinden kann, kommt allen Menschen zugute. Stimmt nicht. Die Wissenschaft könnte doch wirklich klären, was da in Roswell passiert ist und wie es sich mit den Untertassen verhält. Aber stattdessen muß die angeblich so mündige Öffentlichkeit Amerikas und der Welt erst ein paar Jahrzehnte warten, bis die Air Force sich bequemt, einen Bericht herzustellen, und der ist dann voller Löcher und komischer Ungereimtheiten … ich bin hingefahren, ich hab mir das angeguckt, es ist alles sehr unbefriedigend. Was die UFO-Spinner glauben, ist natürlich haarsträubendes Zeug, die wissen überhaupt nicht, wie man Beweise sichtet, Quellenscheidung, rationales Argumentieren, das ist denen völlig fremd … aber geklärt ist halt nichts, von keiner Seite. Ich war auch in der Wüste, wo die erste Atombombe getestet wurde, White Sands. Die entsprechenden Stellen im Buch geben davon eine gewisse Anschauung, so Spitze-des-Eisbergs-haft reduziert. Also, woran liegt die Konfusion? Daran, daß es beim Verhältnis zwischen Wissen und Öffentlichkeit eben nicht nur, wie die bürgerlichen Aufklärer im achtzehnten Jahrhundert sowohl sympathischer- als auch naiverweise glaubten, um eine Bildungs-, Erziehungs- und Schulfrage geht, sondern auch um ökonomische und politische Dinge: Wer bezahlt die Untersuchung? Wie demokratisch ist der Zugang zu den Befunden geregelt? Was hat das Militär mitzureden, was der Geheimdienst, was die großen Firmen und ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen? All das betrifft seit spätestens der Atombombe, die deshalb sehr präsent ist im Buch, auch die Physik, und genauso das sogenannte Computer- oder Informationszeitalter. Ich teile völlig Diracs Empörung darüber, daß es Probleme gibt, die eigentlich von der Wissenschaft gelöst werden könnten, aber nicht gelöst werden – das hat er anlässlich der Weltwirtschaftskrise übers Ökonomische geurteilt, und auch mit diesem Ärgernis sind wir immer noch nicht weiter als er, damals in den dreißiger Jahren, trotz Computern, auch wenn es da schöne neue Ansätze gibt – siehe etwa das Computerökonomiebuch von W. Paul Cockshott und Allin Cottrell.

JR: Also dein Ziel ist: Weitestgehende Demokratie und weitestgehende Erforschung der Welt sollen Hand in Hand gehen. Wohin?

DD: Naja, zur Sonne, zur Freiheit eben. Nach dem letzten Gefecht. Ganz altmodisch.


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